OLG Düsseldorf: Dem „fliegenden Gerichtsstand“ die Flügel gestutzt!

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Schlechte Zeiten für Abmahner im Wettbewerbsrecht: Das Oberlandesgericht Düsseldorf erschwert mit Beschluss vom 16.02.21 (I-20 W 11/21) die Praxis, bei Wettbewerbsverstößen im Internet jedes deutsche Gericht in Anspruch nehmen zu können: Örtlich zuständig sind grundsätzlich die Gerichte am Sitz des Abgemahnten. Bei Verbotsverfügungen sollte daher die örtliche Zuständigkeit des Gerichts genau geprüft werden!

Viele Unternehmen haben es bereits erlebt: Unterlassungsansprüche wegen Wettbewerbsverletzungen im Internet konnten vor jedem deutschen Gericht eingeklagt werden (sog. „Fliegender Gerichtsstand“). Vor allem Massenabmahner nutzten die Möglichkeit, sich das Gericht auszusuchen, das ihrer Rechtsauffassung und Abmahnpraxis möglichst gewogen war. Damit ist es nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Beschluss vom 16.02.21 vorbei: Örtlich zuständig für Wettbewerbsverstöße im Internet ist danach grundsätzlich das Gericht, an dem das abgemahnte Unternehmen seinen Sitz hat.

Eigentlich sollte dieser Befund mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 (BGBl. I S. 2568, in Kraft getreten am 02.12.2020) klar sein: Mit der Neufassung des § 14 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 UWG gilt der Gerichtsstand am Sitz des Beklagten für „Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien“.

Doch so einfach ist es unter Juristen nicht: Teilweise wird die Auffassung vertreten, der „fliegende Gerichtsstand“ sei nur dann ausgeschlossen, wenn die wettbewerbswidrige Werbung ausschließlich im Internet erscheint. Das Landgericht Düsseldorf stellte im seinem Beschluss vom 15.01.21 (Az. 38 O 3/21) noch weiter gehend darauf ab, dass der fliegende Gerichtsstand nur bei „internetspezifischen Kennzeichnungspflichtverletzungen“ abgeschafft worden sei.

Der Fall

Im zu Grunde liegenden Fall griff der Abmahner bestimmte Werbeaussagen im Internet-Auftritt und auf Youtube an. Einzelne Verstöße betrafen jedoch Printmedien. Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit der Gerichte enthielt die Abmahnung nicht. Das angegriffene Unternehmen wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass die Werbeaussagen vornehmlich dem Internet und damit „Telemedien“ entstammten.

Der Abmahner rief das Landgericht Düsseldorf an, obwohl der Gegner dort keinen Sitz hatte. Erst im Antrag auf einstweilige Verfügung ging der Abmahner auf die örtliche Zuständigkeit detailliert ein.

Erlass der Verfügung durch das Landgericht Düsseldorf

Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung ohne weitere Anhörung des Abgemahnten erlassen. Es meinte, dass es örtlich zuständig sei. Der „fliegende Gerichtsstand“ sei nur in den Fällen ausgeschlossen, in denen „Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften“ betroffen seien (also z.B. Verstöße gegen Impressumspflichten auf Websites).

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf

Das Oberlandgericht Düsseldorf hat zwar in seinem Beschluss vom 16.02.2021 (I-20 W 11/21) die eingelegte „sofortige Beschwerde“ als unstatthaft zurückgewiesen. Richtiger Weise hätte nämlich Widerspruch gegen die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf erhoben werden müssen.

Dennoch nutzt der Senat die Gelegenheit, die Vorinstanz zu kritisieren: Er äußert Bedenken dagegen, dass das Landgericht Düsseldorf seine Zuständigkeit bejaht hat. Der Wortlaut des § 14 Abs. 2 UWG rechtfertige nicht, die Zuständigkeit am Sitz des abgemahnten Unternehmens lediglich auf „Verstöße gegen internetspezifische Kennzeichnungsvorschriften einzuschränken“.

Der Senat beruft sich auf die Gesetzesbegründung, wonach die Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“ alle Fälle erfasst, in denen Wettbewerbsverstöße im Online-Handel oder auf Webseiten auftreten. Aufgrund des gesetzgeberischen Willens durfte das Landgericht Düsseldorf auch nicht § 14 Abs. 2 UWG einschränken. 

Selbst wenn man den „fliegenden Gerichtsstand“ bei reinen Internet-Verstößen bejahen wollte, wäre bei verschiedenen angegriffenen Streitgegenständen, die sowohl „Online“- wie „Offline“-Verstöße umfassen, einheitlich nur das Gericht am Sitz des abgemahnten Unternehmens zuständig.

Der Senat rüffelt auch die – so wörtlich – „prozessordnungswidrige Verfahrensweise“ des Landgerichts Düsseldorf: Der Gegner hätte vor Erlass der einstweiligen Verfügung nochmals angehört werden müssen: Der Antrag auf einstweilige Verfügung ging über die Abmahnung weit hinaus, da sie umfangreiche Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit enthielt, die in der Abmahnung noch nicht enthalten waren.

Praxistipp: Einstweilige Verfügungen genau auf örtliche Zuständigkeit prüfen!

  • Unternehmen, die eine einstweilige Verfügung wegen Wettbewerbsverstößen erhalten haben, sollten die örtliche Zuständigkeit des Gerichts genau prüfen: Zumindest bei Wettbewerbsverstößen, die nicht ausschließlich im Internet begangen wurden, muss nach Auffassung des OLG Düsseldorf das Verfahren am Sitz des abgemahnten Unternehmens erfolgen.
  • Auch bei Wettbewerbsverstößen, die allein im Internet begangen wurden, ist zweifelhaft, ob der Abmahner tatsächlich jedes ihm genehme Gericht in Deutschland anrufen darf.
  • Fehlt es an der örtlichen Zuständigkeit, kann das abgemahnte Unternehmen Widerspruch einlegen. Eine „sofortige Beschwerde“ ist unstatthaft.
  • Abgemahnte Unternehmen sollten die vorgerichtliche Korrespondenz und den Vortrag im Verfügungsverfahren genau auf Abweichungen prüfen: Geht der Antrag auf einstweilige Verfügung über den Inhalt der Abmahnung hinaus und hat das Gericht vor Erlass der Verfügung den Gegner nicht (erneut) angehört, ist das rechtliche Gehör des Abgemahnten verletzt. Auch dies kann zur Aufhebung der Verfügung führen.

Dr. Markus Wiedemann

Rechtsanwalt

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