EuGH: Arbeitgeber kann das Tragen von religiösen Zeichen am Arbeitsplatz verbieten

Symbol for a decision of the European Court of Justice. The German abbreviation “EuGH” (stands for European Court of Justice ECJ) written on cubes placed on a newspaper.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seiner neusten Entscheidung die Rechte von Arbeitgebern gestärkt, die das Tragen von religiösen Zeichen am Arbeitsplatz verbieten wollen. Das Verbot des Tragens jeder sichtbaren Ausdrucksform politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen könne nach dem EuGH durch das Bedürfnis des Arbeitgebers gerechtfertigt sein, gegenüber Kunden und Vertragspartnern ein Bild der Neutralität zu vermitteln oder soziale Konflikte zu vermeiden.

1. Sachverhalt

In einem vom EuGH entschiedenen Fall ging es um eine muslimische Arbeitnehmerin, der das Tragen eines Kopftuchs während der Arbeitszeit verboten wurde (Az. C-341/19 und C-804/18). Die Arbeitnehmerin war in einer überkonfessionellen Kita beschäftigt. Sie wurde mehrfach von ihrem Arbeitgeber abgemahnt, nachdem sie sich weigerte, ihr Kopftuch bei der Arbeit abzunehmen und weiter mit diesem in der Kita erschien. Die Arbeitnehmerin hatte seit Anfang 2016 ein Kopftuch getragen. Kurz darauf ging sie in Elternzeit. Während ihrer Abwesenheit wurde eine Dienstanweisung erlassen, die das Tragen von sichtbaren Zeichen der politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung am Arbeitsplatz für Beschäftigte mit Kundenkontakt verbietet. Nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit weigerte sich die Arbeitnehmerin, das Kopftuch bei der Arbeit abzunehmen. Die Arbeitnehmerin klagte vor dem Arbeitsgericht Hamburg auf Löschung der Abmahnungen aus ihrer Personalakte. Das AG Hamburg wandte sich dabei den EuGH zur Klärung der Frage, ob das Verbot des Tragens von religiösen Zeichen mit europäischem Recht vereinbar sei.

Auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) wandte sich 2019 in einer parallelen Angelegenheit an den EuGH. In dem vom BAG zu entscheidenden Fall klagte eine Arbeitnehmerin einer Drogeriekette gegen das Verbot des Tragens von religiösen Zeichen. Die Arbeitnehmerin war seit 2002 bei der Drogerie als Kundenberaterin und Kassiererin beschäftigt. Im Jahr 2014 wollte sie nach der Rückkehr aus der Elternzeit – anders als zuvor – ebenfalls ein Kopftuch bei der Arbeit tragen. Die Drogerie wies sie aber an, ohne auffällige großflächige Zeichen politischer, weltanschaulicher oder religiöser Überzeugungen zur Arbeit zu kommen. Gegen diese Anweisung klagte die Arbeitnehmerin.

2. Entscheidung

Die Richter des EuGHs führten aus, dass ein solches Verbot des Tragens von religiösen Zeichen vom Arbeitgeber gut begründet sein muss, aber nicht grundsätzlich unzulässig ist. Die Religionsfreiheit ist ein derart hohes Gut, dass der Arbeitgeber nachvollziehbar belegen muss, dass ohne ein solches Verbot seine unternehmerische Freiheit stark eingeschränkt wäre. Der Arbeitgeber muss also belegen können, dass es durch das Tragen von religiösen Zeichen zu konkreten Störungen im Betrieb oder zu relevanten Wettbewerbsnachteilen kommt. Die Erwartungen und Wünsche der Kunden oder Nutzer beziehungsweise der Eltern der betreuten Kinder seien für diese Einordnung maßgeblich. Zudem müssen sich solche Regelungen allgemein gegen alle weltanschaulichen Zeichen richten und nicht nur gegen die Zeichen einer bestimmten. Ein reines Kopftuchverbot ist damit ausgeschlossen.

Das abschließende Urteil in den konkreten Fällen der Kita-Mitarbeiterin und der Angestellten des Drogeriemarkes müssen nun die deutschen Gerichte treffen. Hierbei betonte der EuGH, dass diesen durchaus ein gewisser Entscheidungsspielraum eingeräumt ist. Die Gerichte können im Rahmen der Interessenabwägung zwischen der Religionsfreiheit und der unternehmerischen Freiheit einzelfallbezogen auch den Kontext ihres jeweiligen Mitgliedsstaates angemessen Rechnung tragen.

3. Praxishinweis

Mit den Entscheidungen des EuGHs werden die Rechte des Arbeitgebers in Bezug auf das Verbot des Tragens von religiösen Zeichen am Arbeitsplatz gestärkt. Die Entscheidungen verdeutlichen, dass im Rahmen der Interessenabwägung zwischen dem Grundrecht der Religionsfreiheit des Arbeitnehmers und der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers das Bedürfnis des Arbeitgebers, gegenüber Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln entscheidend sein kann.

Die Entscheidung ergänzt die bereits geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach beispielsweise im öffentliche Dienst, das Verbot zum Tragen von religiösen Zeichen dann gerechtfertigt sein kann, wenn der Beamte öffentlichkeitswirksame Tätigkeiten ausübt und hierbei das Neutralitätsgebot des Staates überwiegt. 

Arbeitgeber können demnach die Einführung solcher Verbotsregelungen dann in Betracht ziehen, wenn dies objektiv sachlich gerechtfertigt ist. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitgeber in seinem Außenauftritt Neutralität vermitteln und dadurch einen möglichst großen Kundenkreis ansprechen möchte. In aller Regel wird ein solches Verbot nur dann wirksam sein, wenn es unterschiedslos für sämtliche religiösen Zechen gilt. Arbeitgeber sollten bei der Ausgestaltung und insbesondere der Formulierung Zweifel und Widersprüchlichkeiten vermeiden. Zudem ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmervertretung besteht.

Dr. Lorenz Mitterer                                         Katharina Grassl

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