Die Geschäftsleiterpflichten vor und in der Krise: Hat das StaRUG den Pflichtenstandard verändert?

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Mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) hat der Gesetzgeber neue Instrumente und Verfahren geschaffen, mit denen die Möglichkeiten für eine Sanierung von Unternehmen außerhalb des förmlichen Insolvenzverfahrens verbessert werden sollen. Inhaltlich beschränkt sich das StaRUG jedoch nicht auf Regelungen zu den neuen Instrumenten und Verfahren zur Stabilisierung und Restrukturierung von Unternehmen. Weitere Inhalte betreffen die Geschäftsleiterpflichten vor und in der Krise (§ 1 Abs. 1 StaRUG). Es stellt sich daher die Frage, ob das StaRUG die bisherigen Pflichten- und Haftungsstandards erweitert oder lediglich konkretisiert. Dem soll im Rahmen dieses Beitrags nachgegangen werden.

I.          Geschäftsleiterpflichten vor und in der Krise (§ 1 Abs. 1 StaRUG)

Seit jeher ist bekannt und unbestritten, dass Geschäftsleiter ganz unabhängig von der Rechtsform des von ihnen geführten Unternehmens die Pflicht haben, Krisen frühzeitig abzuwenden und im besten Fall gar nicht erst entstehen zu lassen.

Bisher wurden die vorgenannten Pflichten vorrangig aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers hergeleitet. Lediglich das Aktiengesetz verpflichtet den Vorstand ausdrücklich zur Einrichtung eines Systems zur Erkennung bestandsgefährdender Risiken (§ 91 Abs. 2 AktG). Hinzu kamen Pflichten zur Information der Gesellschafter bei einem Verlust in Höhe der Hälfte des Stamm- bzw. Grundkapitals (§ 49 Abs. 3 GmbHG bzw. § 92 Abs. 1 AktG). Mit dem StaRUG hat der Gesetzgeber nun erstmals eine Regelung geschaffen, die sich rechtsformunabhängig mit den Pflichten der Geschäftsleiter im Vorfeld eines Insolvenztatbestandes befassen. Konkret beschreibt § 1 Abs. 1 StaRUG die Pflichten der Geschäftsleiter dahingehend,

•           Entwicklungen, die zur Bestandsgefährdung führen können, zu überwachen (Krisenfrüherkennung),

•           geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen (Krisenmanagement) und

•           die Überwachungsorgane über bestandsgefährdende Entwicklungen zu informieren (Berichterstattung).

Man wird § 1 Abs. 1 StaRUG wohl am ehesten gerecht, wenn man die dort geregelten Geschäftsleiterpflichten nicht als Erweiterung, sondern eher als Kodifizierung und Konkretisierung der bereits vor dem Inkrafttreten des StaRUG anerkannten Geschäftsleiterpflichten interpretiert. Dennoch lohnt es sich, die Pflichtentrias des § 1 Abs. 1 StaRUG noch etwas genauer zu analysieren:

1.         Krisenfrüherkennung mittels Frühwarnsystem

Mit dem StaRUG unterstreicht der Gesetzgeber das rechtspolitische Anliegen, Unternehmen vor einer Insolvenz zu bewahren und für dieses Anliegen die Geschäftsleitungen in die Pflicht zu nehmen. Diese müssen die Geschäftssituation fortlaufend auf bestandsgefährdende Risiken prüfen, insbesondere auf solche, die zu einer drohenden Zahlungsunfähigkeit führen können.

Für den Vorstand einer Aktiengesellschaft regelt § 91 Abs. 2 AktG bereits explizit, dass er ein Überwachungssystem zur Krisenfrüherkennung einrichten muss, ohne weitere Details vorzugeben. Diese richten sich nach allgemeiner Auffassung nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, wobei die Größe des Unternehmens und sein Tätigkeitsbereich zu berücksichtigen sind. Für die Auslegung der Pflicht zur Krisenfrüherkennung nach § 1 Abs. 1 StaRUG gilt entsprechendes, d.h. auch hier muss das Krisenfrüherkennungssystem auf das Unternehmen und seine Risikolandschaft angepasst sein.

Nicht explizit geregelt war bisher die Frage, welchen Prognosezeitraum die Geschäftsleitung im Rahmen des Früherkennungssystems in den Blick nehmen muss. Das StaRUG äußert sich hierzu ebenfalls nicht. Allerdings wurde zeitlich mit dem Inkrafttreten des StaRUG die in der Insolvenzordnung angesiedelte Definition der drohenden Zahlungsunfähigkeit reformiert und dort ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde gelegt (§ 18 Abs. 2 InsO). Dieser beansprucht daher auch im Rahmen des Früherkennungssystems Anerkennung als Maßstab für die Zeitspanne, auf die sich der Planungs- und Prognosezeitraum beziehen muss.

Die Implementierung eines leistungsfähigen Frühwarnsystems zur 24-monatigen Überwachung der einschlägigen Indikatoren wird vor allem kleinere Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Zu den Mindestanforderungen zählt dabei stets eine belastbare Liquiditätsplanung sowie die Auswahl und Definition einschlägiger Risikofaktoren, die der fortlaufenden Überwachung unterliegen sollen. Wichtig ist auch die laufende Dokumentation der Überwachungsaktivitäten und die regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung des Früherkennungssystems an Veränderungen im Unternehmen oder dem Umfeld, in dem sich das Unternehmen bewegt.

2.         Aktives Krisenmanagement und Berichterstattung

Zeichnet sich bei der Überwachung des Prognosezeitraums eine Krise ab, ist der Geschäftsleiter verpflichtet, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, um eine drohende Insolvenz frühzeitig abzuwenden und die Bestandsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen. Diese Pflicht zum Krisenmanagement ist für Geschäftsleiter juristischer Personen nicht neu. An dieser Stelle dient § 1 Abs. 1 StaRUG ebenfalls überwiegend der Klarstellung bislang ungeschriebener Pflichten.

Fraglich ist, ob der Geschäftsleiter verpflichtet sein kann, die durch das StaRUG neu eingeführten Instrumente und Verfahren für eine Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens zu nutzen. Tatsächlich kann dies im Einzelfall geboten sein. Wie auch sonst gilt aber auch hier, dass der Geschäftsleiter die für eine Krisenabwehr oder Sanierung in Betracht kommenden Maßnahmen sorgfältig analysieren und sich dann – auf Basis bestmöglicher Information –  für den bzw. die Wege mit den besten Erfolgsaussichten entscheiden kann.

Dem Überwachungsorgan (z. B. Aufsichtsrat, Beirat, Gesellschafterversammlung) hat der Geschäftsleiter unverzüglich Bericht zu erstatten, sobald er bestandsgefährdende Entwicklungen erkennt. Die Berichtspflicht stellt für die Genossenschaft und GmbH mit Aufsichtsrat ein Novum dar, während Vorstände von Aktiengesellschaften dem Aufsichtsrat schon nach bisheriger Rechtslage Bericht erstatten mussten, wenn sich in Bezug auf grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung die Lage akut veränderte.

3.         Haftung des Geschäftsleiters bei Pflichtverstoß

Kommt der Geschäftsleiter seiner Pflicht zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement nicht oder nicht ausreichend nach, droht eine persönliche Haftung. Ist der Gesellschaft ein kausaler Schaden entstanden, hat sich der Geschäftsleiter im Innenverhältnis für seine Pflichtverletzung zu verantworten und Schadensersatz zu leisten. Zum Nachweis der ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Pflichten ist eine regelmäßige Dokumentation der Krisenfrüherkennung und des Krisenmanagements ratsam.

II.         Ausblick

Für die Praxis wird die Rechtsprechung zu den neuen Vorschriften, d.h. insbesondere jener zu § 1 Abs. 1 StaRUG und § 18 Abs. 2 InsO von großer Bedeutung sein. Bis sich zu diesen Vorschriften allerdings eine auch nur halbwegs gesicherte Rechtsprechung entwickelt, wird es dauern. In der Zwischenzeit und unabhängig davon, welche Richtung die Gerichte beschreiten, sollten Geschäftsleiter das StaRUG zum Anlass nehmen, ihre Risikofrüherkennungssysteme zu überprüfen, etwa noch nicht vorhandene oder verbesserungswürdige Dokumentationen zu erstellen und eine Routine für die regelmäßige Überprüfung einzurichten.

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