Auf dem Weg zum Lieferkettengesetz / zum aktuellen Stand des Gesetzgebungsverfahrens

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Wie kürzlich bekannt wurde, soll das seit längerer Zeit umstrittene Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden und ab Januar 2023 in Kraft treten. Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ soll die Verantwortlichkeit deutscher Unternehmen für die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards in ihren internationalen Lieferketten regeln und erstmals entsprechende Sorgfaltspflichten einführen. Insoweit gehen die geplanten Vorschriften des aktuellen Referentenentwurfs für das Lieferkettengesetz über die bisherigen Berichtspflichten über Sozial- und Umweltbelange im Rahmen der nichtfinanziellen Erklärung nach § 289c HGB hinaus.

Nachfolgend wird ein Überblick über die bevorstehenden Regelungen des neuen Lieferkettengesetzes gegeben und bereits jetzt bestehende Haftungsrisiken innerhalb der Lieferkette aufgezeigt.

1. Geplante Regelungen des Lieferkettengesetzes

Ein Vergleich zu den im letzten Jahr noch diskutierten Regelungen des Eckpunktepapiers zum Lieferkettengesetz zeigt, dass das Lieferkettengesetz unternehmerfreundlicher ausfallen wird, als bislang zu befürchten war. Zwar sollen nach dem aktuellen Referentenentwurf Umweltbelange stärker berücksichtigt werden, der Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes wurde jedoch reduziert und dessen Sanktionsregime an entscheidender Stelle abgeschwächt.

a) Vom Lieferkettengesetz betroffene Unternehmen

Das Lieferkettengesetz soll ab Januar 2023 auf Unternehmen Anwendung finden, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung oder ihren Sitz im Deutschland haben und in der Regel mehr als 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Innerhalb von verbundenen Unternehmen (§ 15 AktG) sind die Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl einer Konzernmutter zu berücksichtigen. Der Schwellenwert von 3.000 Arbeitnehmern wird im darauffolgenden Jahr auf Unternehmen mit in der Regel mehr als 1.000 Arbeitnehmern gesenkt, sodass sich der Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes ab dem Jahr 2024 erweitern soll.

b) Risikomanagement innerhalb der Lieferkette

Nach aktuellem Stand soll das neue Lieferkettengesetz sowohl Handlungs- als auch Berichtspflichten für deutsche Unternehmen enthalten, deren Intensität entsprechend der Lieferkette variieren können. Unternehmen sollen verpflichtet werden, hinsichtlich ihrer Lieferketten ein spezielles Risikomanagement einzuführen und dieses wirksam umzusetzen. Lieferkette meint hierbei sämtliche Beiträge, die ein Unternehmen verwendet, um ein Produkt herzustellen oder eine Dienstleistung zu erbringen, angefangen von der Gewinnung eines Rohstoffes bis zur Lieferung an einen Endkunden.

aa) Pflicht zur generellen bzw. anlassbezogenen Risikoanalyse

Bestandteil des Risikomanagements ist die Pflicht zur Durchführung von angemessenen Risikoanalysen in Bezug auf bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Risikofelder. Unternehmen müssen im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern etwaige Risiken, wie etwa Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Diskriminierung oder die Schädigung von Gesundheit und Umwelt generell identifizieren und bewerten. Des Weiteren müssen sie gewährleisten, dass in ihrem Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern keine Menschenrechtsverletzungen stattfinden. Bei mittelbaren Zulieferern oder Rohstofflieferanten muss eine Risikoanalyse hingegen nur anlassbezogen vorgenommen werden. Anlass kann beispielsweise die Beschwerde eines Mitarbeiters des Zuliefererunternehmens sein, in der auf bestehende Missstände aufmerksam gemacht wird.

bb) Pflicht zur Durchführung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen

Neben der Durchführung von Risikoanalysen müssen Unternehmen geeignete Maßnahmen treffen, um den identifizierten Risiken präventiv entgegenzuwirken, diese zu verringern und sie gegebenenfalls zu beseitigen. Als geeignete Präventionsmaßnahmen nennt der Gesetzesentwurf beispielhaft die Durchführung von Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen, risikobasierte Kontrollmaßnahmen, die Berücksichtigung von menschenrechtsbezogenen Erwartungen bei der Auswahl von Vertragspartnern oder die Festschreibung angemessener vertraglicher Kontrollmechanismen zur Durchsetzung vertraglich festgeschriebener Erwartungen. Mitunter kann auch in Betracht gezogen werden, Geschäftsbeziehungen zu unmittelbaren Zulieferern temporär auszusetzen, wenn die Verletzung einer geschützten Rechtsposition nicht in absehbarer Zeit beendet werden kann.

cc) Dokumentations- und Berichtspflichten

Unternehmen sollen außerdem verpflichtet werden, die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten nach dem Lieferkettengesetz fortlaufend zu dokumentieren und über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten einmal jährlich öffentlich Bericht zu erstatten.

c) Sanktionen

Sofern Unternehmen ihren Verpflichtungen nach dem Lieferkettengesetz nicht nachkommen, sieht der Referentenentwurf Zwangs- und Bußgelder vor. Die Zwangsgelder können bis zu EUR 50.000 betragen. Die Bußgelder sollen sich hingegen am erzielten Gesamtumsatz des Unternehmens orientieren und können daher weitaus höher ausfallen. Daneben können Unternehmen in bestimmten Fällen auch für bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden (sog. Blacklisting).

2. Zivilrechtliche Haftung in Lieferketten

Eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung für Pflichtverletzungen innerhalb der Lieferkette soll nach dem Referentenentwurf nicht eingeführt werden. Das Lieferkettengesetz wird demnach keine Haftung von deutschen Unternehmen für Drittschäden vorsehen, die ihre Lieferanten pflichtwidrig herbeigeführt haben.

Insoweit bleibt es vorerst bei dem Grundsatz, dass in Deutschland ansässige Unternehmen nach hiesigem Recht grundsätzlich nicht für Schäden entlang der Lieferkette haftbar gemacht werden können. Anders kann es sich jedoch beim ausländischen Deliktsrechts verhalten. Nach Art. 4 Abs. 1 der Rom II-VO ist in Kollisionsfällen auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eingetreten ist (Recht des Erfolgsortes). Sofern das ausländische Deliktsrecht eine Haftung für Unternehmen an der Spitze einer Lieferkette vorsieht, könnten entsprechende Ansprüche von ausländischen Geschädigten bereits heute in Deutschland gerichtlich geltend gemacht werden. Ein entsprechender Fall lag dem LG Dortmund im Jahr 2019 vor. Hier machten Arbeitnehmer und Hinterbliebene eines pakistanischen Zulieferers Ansprüche im Zusammenhang mit einem Brand auf dem Firmengelände des Zulieferers gegen ein deutsches Unternehmen geltend. Das LG Dortmund hielt die Klage für zulässig. Eine Haftung des deutschen Unternehmens schied letztlich nur deshalb aus, weil die Ansprüche der Kläger nach pakistanischem Recht bereits verjährt waren.

3. Ausblick

Das Lieferkettengesetz wird zwar erst 2023 in Kraft treten. Unternehmen sollten sich aber dennoch möglichst frühzeitig auf ihre neuen Sorgfaltspflichten einstellen. Es ist zu empfehlen, etwaige Risiken innerhalb der Lieferketten bereits jetzt zu analysieren und eventuelle Präventionsmaßnahmen schon vor Inkrafttreten des Lieferkettengesetzes einzuleiten oder zumindest vorzubereiten. Die Anforderungen des neuen Lieferkettengesetzes sollten bei Abschluss neuer Vereinbarungen mit Lieferanten bereits heute berücksichtigt werden und entsprechende Klauseln in die Verträge mit aufgenommen werden. Des Weiteren empfiehlt es sich das geltende Recht der Staaten von ausländischen Zulieferern im Blick zu behalten, um etwaige Haftungsrisiken zu erkennen und evtl. zu vermeiden.

Über die weiteren Entwicklungen werden wir im Rahmen unseres Blogs weiter informieren.

Gerne können Sie sich auch an unsere Ansprechpartner zum Thema Lieferkettengesetz wenden: Dr. Timo Fietz und Dr. Thomas Zwissler.

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